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Im Zusammenhang mit Daniel, der sich wohl eingehender mit Tantra besch?ftigt, kommt immer wieder die Frage auf : "Was ist Tantra?".
Ich habe dazu eine ziemlich gute Definition von Saalem Mathias Riek gefunden, die ich gerne einmal hier reinstellen m?chte:
Was ist Tantra ?
Zur Wiederverbindung von Liebe, Sexualit?t und Bewu?tsein
von Saleem Mathias Riek
Tantra, das Wort mit dem sch?nem Klang, war bis vor 20 Jahren im Westen weitgehend unbekannt. Heute erfreuen sich Tantraseminare zwar immer gr??erer Beliebtheit, aber es ranken sich auch viele zweifelhafte Ger?chte darum herum. Tantra l?st Sehns?chte und zugleich auch ?ngste aus, und das hat ein ganz einfachen Grund. Im Unterschied zu den allermeisten spirituellen Richtungen und Religionen, und auch im Unterschied zu den meisten Formen von Therapie und Selbsterfahrung, macht Tantra nicht den obligatorischen Bogen um das Thema Sexualit?t. Zwar scheint das Thema Sex heute weitgehend enttabuisiert zu sein, es prangt uns von ?berall her entgegen, nackte K?rper in Illustrierten allerorten, in Talkshows werden die letzten intimen Details des Liebeslebens ans Licht gezerrt. Das ?ndert aber nichts an der Tatsache, da? sich nur die wenigsten Menschen in ihrer Sexualit?t wirklich wohl und frei f?hlen.
Mit Schlagzeilen wie ?Tantra - G?ttliche Ekstase oder Gruppensex?? st?rzen sich manche Medien auflagensteigernd auf das Thema und spiegeln dadurch nur ihre eigene und unser aller tiefe Verletzung als sexuelles Wesen. Unsere Kultur hat nicht nur Sex und Herz voneinander getrennt, sie hat auch Sexualit?t zum Feind spiritueller oder religi?ser Entwicklung erkl?rt, und die Folgen davon tragen wir alle in unseren Knochen, in unserem K?rper. In Tantragruppen werden diese Themen in einer Offenheit und Direktheit angesprochen und erforscht, die sonst selten zu finden ist. Dabei ist behutsames Vorgehen besonders wichtig, um einen sicheren Rahmen f?r die Selbserkundung zu schaffen.
Im traditionellen Tantra mu?ten sich die Sch?ler in jahrelanger Meditationspraxis ?ben, bevor sie in die sexuellen Praktiken eingef?hrt wurden. Damit war die Voraussetzung geschaffen, da? es nicht um vordergr?ndiges Ausleben von Sex ging. Jemand, der das dort gesucht h?tte, h?tte l?ngst vorher aufgegeben. In unserer Zeit und Kultur sind die traditionellen Rituale und Methoden kaum anwendbar. Stattdessen wurde die Essenz von Tantra - haupts?chlich vom indischen Mystiker Osho inspiriert - in neue Formen eingekleidet und wird heute meist in einer Weise gelehrt, die sich oberfl?chlich kaum von anderen Formen der Selbsterfahrung unterscheidet. Und doch gibt es einen wesentlichen Unterschied, der sich manchem sofort, anderen erst bei l?ngerer Erfahrung im Tantra erschlie?t.
Tantra beinhaltet weit mehr als die Besch?ftigung mit unserer Sexualit?t. Tantra bedeutet in seiner Essenz, das Leben in allen seinen Aspekten annehmen zu lernen, bedeutet das Leben zu leben anstatt es zu bewerten, bedeutet unsere ganze Palette von Gef?hlen zu sp?ren anstatt sie in gute und schlechte Gef?hle zu unterteilen und dann den vermeintlich guten Gef?hlen hinterherzurennen. Tantra bedeutet, unsere F?higkeit zu Pr?senz, zum unmittelbaren Gewahrsein, zur Meditation mitten in alle Erfahrungen unseres Lebens hineinzubringen und unsere Erfahrung damit zu verwandeln.
Ein solcher Transformationsprozess ist unserem Kulturkreis eher fremd, sind wir doch darauf gedrillt, da? nur das entschlossene Tun Ver?nderung bewirkt. Unsere Kultur ist extrem m?nnlich gepr?gt, in dem Sinne, da? weibliche Qualit?ten wie Hingabe oder einfach SEIN zu kurz kommen. Tantra besch?ftigt sich schon seit tausenden von Jahren mit der archetypischen Polarit?t von m?nnlich und weiblich und kann einiges zur Heilung der Beziehungen von M?nnern und Frauen beitragen. Im Tantra k?nnen wir entdecken, da? in der Hingabe an das, was ist, eine ganz andere Art von Ver?nderung geschieht, eine Ver?nderung, in der wir in einen Einklang mit der Existenz kommen, in der wir das Wunder des Lebens und der Existenz wieder zu seinem Recht kommen lassen.
Dieser Transformationsprozess macht auch vor sinnlicher Erfahrung, vor prickelnder Erotik und lustvoller Sexualit?t nicht halt. Tantra l?dt uns ein, unsere Unschuld als sinnliches und sexuelles Wesen wieder zu entdecken, f?r uns in Besitz zu nehmen und zu feiern. Wer allerdings glaubt, an den eigenen Macken vorbei den Traumpartner zu finden oder ein schnelles sexuelles Abenteuer zu erleben, wird entt?uscht! In diesem Prozess begegnen wir all den Wunden und Verletzungen, die wir in diesem Bereich erlitten haben. Wessen sexuelles Erwachen wurde in der Pubert?t gefeiert oder ?berhaupt nur liebevoll unterst?tzt und begleitet? Wer wurde nicht in seiner W?rde als sexuellem Wesen mi?achtet, durch Ignoranz, durch Vertuschung und Heimlichkeiten oder sogar durch direkten Mi?brauch? Aber anstatt sich diesen Verletzungen zu stellen, um sie zu heilen, greifen viele Menschen lieber nach der Wunderpille, die M?nnern ausdauernde Erektionen und neuerdings auch Frauen unz?hlige Orgasmen verspricht.
Tantra ist keine Wunderpille. Tantra verspricht nicht, da? wir dem Sp?ren unserer Wunden entkommen. Im Tantra werden paradoxerweise sogar gerade unsere verwundeten Bereiche zum Tor zu Intimit?t und zu unserer Essenz. In der Bereitschaft, alles zu sp?ren, die Lust wie den Schmerz, die Wut und Trauer genauso wie die Freude und die sexuellen Empfindungen, verwandelt sich unsere Erfahrung und f?hrt uns in die Unmittelbarkeit des Da-Seins. In dem Dasein-lassen von dem, was ist, ?ffnet sich unser Herz. Wir k?nnen auf einer ganz tiefen Ebene entspannen, wenn wir nicht mehr anders sein m?ssen, als wir sind. Tantra beginnt mit der Liebe zu uns selbst und f?hrt uns zur Liebe zu unserem Partner und unseren N?chsten und dar?ber hinaus zur Liebe f?r alle f?hlenden Wesen und zur Liebe f?r die Existenz. Tantra schafft einen Erlebnisraum, in dem dies nicht nur sch?ne Worte bleiben, sondern praktisch und konkret werden kann. Dies beinhaltet die Chance, die Erfahrungen soweit zu integrieren, da? sie auch im Alltag ihre Fr?chte tragen k?nnen.
Tantra ist kein leichter Weg. In Indien und Tibet, woher Tantra stammt, galt Tantra im Gegenteil als besonders herausfordernder Weg, als eine Wanderung auf des Messers Schneide. Die Methoden haben sich wie gesagt im westlichen Tantra sehr ver?ndert, unseren kulturellen Bedingungen angepa?t. Aus Tantra ist auch ein Markt geworden, mit z.T. sehr unterschiedlicher Ausrichtung. F?r manche steht der eigene Heilungsprozess im Vordergrund, f?r andere das Lieben-Lernen, f?r dritte das Abenteuer des Lebendig Seins und f?r manche wird Tantra zu ihrem spirituellem Weg, zur R?ckverbindung mit dem Sein. In dem breiten ?ffentlichen Zugang zum Tantra liegen Chancen wie Gefahren. Einerseits braucht niemand eine jahrelange Expedition in den Himalaya zu unternehmen, um Tantra kennenzulernen, andererseits kann in der nur oberfl?chlichen Besch?ftigung mit Tantra das eigentliche Geschenk ?bersehen werden, das uns Tantra zu geben hat: uns mit dem Leben in allen seinen Aspekten anzufreunden und darin unsere tiefste Natur, unser Wesen zu entdecken.
Saleem Matthias Riek
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14.08.2003, 12:49
