| Daniels Zwilling entdeckt |     |
Wer so viel Zeit, hier herum zu surfen, sollte auch genug Zeit haben, das hier zu lesen...
Einmal Star und zur?ck
?? Thomas Rabsch
?Zlatko in seiner Wohnung in K?ln
Er ruft an und sagt, dass er die Dinge zurechtr?cken will. Etwas sei da schief gelaufen, etwas, das er jetzt richtig stellen wolle. ?Diesen Proll-Zlatko aus dem Container, den gibt es nicht mehr?, sagt Zlatko. Und dann entsteht eine dieser unangenehmen Pausen, in denen man nicht wei?, wer jetzt eigentlich dran ist, etwas zu sagen. Nur ein schnelles Atmen, fast schon ein Hecheln ist am anderen Ende der Leitung zu h?ren. ?Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch. Weltoffen, neutral und auch ganz sch?n famili?r?, sagt Zlatko in die Stille hinein. Mehr will er jetzt aber nicht erz?hlen, weil: ?Du wirst es schon sehen, wenn du mich besuchen kommst.?
Zwei Tage sp?ter vor einem Mietshaus im K?lner Vorort Wesseling. Vergebens sucht der Besucher nach dem Namensschild ?Zlatko Trpkovski? an der Klingel. Er habe es abgeschraubt, wird er sp?ter erz?hlen, weil die Fans ihm sonst die Bude einrennen w?rden. An diesem Nachmittag ist kein Mensch auf der Stra?e. Nur eine Rentnerin zerrt ihre Eink?ufe auf einem Rollwagen nach Hause, und alle paar Minuten donnert ein Lastwagen vorbei ins nahe gelegene Industriegebiet.
Zlatko wohnt im zweiten Stock. Eine Vier-Zimmer-Durchschnitts-Wohnung. Mit Einbauk?che und TV-Video-Hi-Fi-Schrankwand im Wohnzimmer. Hier lebt er zusammen mit seiner t?rkischen Freundin und ?Big Brother?-Gef?hrtin Ebru, die er w?hrend der zweiten Staffel beim Besuch im Container kennen lernte. ?Ruf kurz auf dem Handy an, damit ich wei?, dass die Luft rein ist?, hat Zlatko vor dem Treffen befohlen. Jetzt kommt man sich ein bisschen albern vor, wie man da vor der T?r steht, eine Handynummer w?hlt und der T?r?ffner summt, bevor es ?berhaupt geklingelt hat.
Zlatko tr?gt einen grauen Anzug, der nicht so recht passen will zu seinem aufgepumpten Bodybuilder-K?rper. ?Mensch, das klappt ja alles prima!?, ruft er und begr??t einen ?berschw?nglich, als h?tte er schon sehr lange gewartet. Mit einem kr?ftigen H?ndedruck zieht er den Besucher hinein in die abgedunkelte Wohnung, wo die Rolll?den halb heruntergelassen sind.
?Sie haben mich abges?gt, aber ich sehe das heute auch positiv?, sagt Zlatko als Erstes und l?sst sich in einen der Ledersessel im Wohnzimmer fallen. Sie? ?Na ja, du wei?t schon?, sagt er und versucht seiner Stimme einen verschw?rerischen Fl?sterton zu geben. ?Aber ich will mich nicht beschweren. Ich bin ein richtiger Baumstamm geworden. Michhaut jetzt nichts mehr um. Ich wei? jetzt, wo Fernsehen passiert. Jetzt, wo ich mein eigener Manager bin, geht alles einfacher.?
Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass der steile Aufstieg des 26-j?hrigen Zlatko Trpkovski in einem ebenso steilen Absturz endete. Ein paar schnelle Wochen lang hatte Zlatko, damals auch ?The Brain? genannt, ganz Fernseh-Deutschland bei Laune gehalten. Pl?tzlich war da einer, der sich zur besten Sendezeit - beobachtet von 28 Kameras - alles erlaubte. Einer, der sich die Brusthaare schnitt mit einer K?chenschere und die Fu?n?gel am K?chentisch. Einer, der stolz verk?ndete, dass er noch nie ein Buch gelesen habe, und Shakespeare f?r einen Dokumentarfilmer hielt. Ein Proll-Held in Adidas-Trainingshose f?r die schweigende Masse vor den Fernsehapparaten.
Doch als Zlatko dann bei der Vorauswahl zum Grand Prix im letzten Fr?hjahr mit d?rrer und schiefer Stimme ?Einer f?r alle? ins Mikrofon jaulte, flogen Bierflaschen und Plastikbecher. Es war die ?ffentliche Hinrichtung der Medien-Figur Zlatko. Das tragische Aus eines zum ?Kultstar? hochgejubelten arbeitslosen Industriemechanikers aus Nattheim bei Heidenheim, der am Ende seinem Publikum doch nicht mehr zu bieten hatte als schlechte Manieren, ein paar lockere Spr?che und seine beachtlichen Oberarmmuskeln.
Immerhin, eine Viertelmillion Euro konnte er mitnehmen. Eine Menge Geld f?r einen, der vorher Probleme hatte, seine Miete zu zahlen. ?Als ich aus dem Container kam, haben sie mir gesagt: 'Zlatko, du wirst jetzt Million?r. Nimm alles mit, was du kriegen kannst.'? Er hat den Marketing-Managern geglaubt - und hat alles mitgenommen, was er bekommen konnte: eine eigene Talkshow namens ?Zlatkos Welt?, die nach sieben Folgen von RTL eingestellt wurde, bis zu 10.000 Mark Honorar pro Interview, und eine Party-Gr?l-Platte, wie sie Wolfgang Petri nicht besser hinbekommen h?tte. Die findet man jetzt nur noch auf den Ramsch-Tischen der Supermarktkassen.
Heute k?nnte sich Zlatko seinen Traum erf?llen, f?r den er sich vor zwei Jahren freiwillig in den TV-Knast ?Big Brother? einweisen lie?: eine eigene Autowerkstatt in seiner Heimatstadt Nattheim. Dem Showgesch?ft einfach den R?cken kehren, das ihn zuletzt misshandelt hat wie einen ausrangierten Schlagerstar.
Doch f?r Zlatko gibt es kein Zur?ck mehr ins alte Leben. ?Ich geh?re einfach ins Fernsehen. Jeder Mensch hat doch ein Talent, oder nicht.? Er schaut auf sein Stereo-Regal. Dort stehen ordentlich nummeriert die Cassetten seiner Show ?Zlatkos Welt? und ein Video-Rohschnitt des Kinofilms ?Mr. Boogie?, der es bis heute nicht ins Kino geschafft hat. Die ?Bild?-Zeitung habe ihn kaputtgemacht. ?Die haben geschrieben: ?Kinobesitzer liefen entsetzt aus der Testvorf?hrung?, dabei war der Film noch gar nicht fertig. Es gibt bis heute nur einen Rohschnitt ohne Musik.?
?berall vermutet Zlatko eine Art Medien-Verschw?rung.
Gegen ihn, den ehrlichen Star aus der schweigenden Masse, der es innerhalb von 39 Tagen im TV-Knast von ganz unten bis nach ganz oben schaffte. ?RTL und die ?Bild?-Zeitung sind m?chtig. Wenn du denen mal ans Bein pisst, ist es aus?, wei? Zlatko. Selbst f?r seinen blamablen Grand-Prix-Auftritt hat er eine Theorie: ?In dieser Welt ist alles voller Technik. Man braucht nur den Regler ein bisschen verdrehen, und schon klingt alles anders.?
Nun will er zusammen mit der Regisseurin Vesna Jovanoska, die auch schon ?Mr. Boogie? verfilmte, eine Dokumentation ?ber seinen Aufstieg zum Star drehen. Sagt er jedenfalls. ?Ich k?nnte mir aber auch ein Reise-Magazin vorstellen oder Werbung wie Verona Feldbusch.? Denn das sei wirklich ein Traum, einfach viel Geld f?r ganz wenig Arbeit. Zlatko sagt das alles so, als w?rde er es wirklich glauben.
bringt.
Und dann stellt Zlatko die Frage, die das Gespr?ch zum Kippen ?Oder h?ltst du mich etwa auch f?r einen Idioten?? Bevor man etwas antworten kann, springt er auf, so, als habe er Angst vor einer Antwort. Ja, es tue ihm leid, aber man m?sse jetzt leider gehen, er habe noch ein paar dringende Termine.
Noch ein kurzer Blick von der Stra?e hinauf zu den Fenstern im zweiten Stock. Zlatko hat die Roll?den ganz runtergelassen und alle Lichter gel?scht.
Hannes Ross
|
12.02.2003, 11:13
