Geschrieben von Lin am 20.05.2003, 00:15:
Die TAZ ?ber Konzi Berlin
Eine Megaleistung!
Mit den Superstars ist es so wie mit dem Irakkrieg: Ein menschenverachtendes Projekt hat Erfolg - auch in Berlin
Im Vorfeld hatte es b?se Ger?chte gegeben: Gro?er Krach bei den Superstars! Daniel und Alex m?ssen getrennt fahren! Die fr?her Ausgeschiedenen sind sauer, weil sie weniger Solosongs singen d?rfen! Und Vanessa sagte der Bravo: "Ich hasse Daniel"!
Beim gemeinsamen Konzert in der Berlin-Arena wirkte am Wochenende aber alles ganz harmonisch. 8.000 Fans waren gekommen, die Sitzpl?tze im Velodromrund waren restlos belegt. Im Innenbereich vor der B?hne bei den Kinder und Teenagern gab es allerdings viel Platz. Geduldige junge Eltern trugen dort ihren Nachwuchs stundenlang auf den Schultern, der wiederum hielt beschriftete Pappschilder mit Gru?botschaften hoch.
Und ?berall Jubel, Jubel, Jubel. Dieter Bohlen im eierschalfarbenen Sommeranzug macht den Zeremonienmeister, heizt die Menge auf, sagt die S?nger an. Andrea, recht fr?h abgew?hlt, ist schwanger, was Bohlen nat?rlich ausn?tzt, um onkelhaft auf ihr gewachsenes B?uchlein hinzuweisen. Sie performt eine Coverversion, und er lobt, ganz so, als s??e er noch in der Jury: "Andrea, f?r erk?ltet war das eine Megaleistung!" Erste Spannungen sp?rt man bei Juliettes Auftritt. Sie hat sich n?mlich Dieters Angebot verweigert und will ohne ihn Karriere machen. Deshalb fragt Dieter ein bisschen hinterh?ltig, wann endlich ihre Single kommt. "Aber du hast rattenscharfe Fotos gemacht", setzt er vers?hnlich hinterher.
Die Show ist hierarchisch gestaltet. Nur die drei Finalisten werden von einer T?nzergruppe umschw?rmt und d?rfen mehrere Titel solo singen. Alexander, als "Euer Superstar!" angek?ndigt", singt seinen Hit "Take Me Tonight" im wei?en Anzug. Beim Eightiesschocker "Maniac" versuchen sich wild sexualisierte T?nzerinnen fordernd an ihm zu reiben. Alex aber st??t sie angewidert weg, rennt die Showtreppe hoch, um dort verz?ckt, auf Knien und unter Zuckungen dem langhaarigen Gitarristen mit der Neongitarre zu lauschen.
Nach der Pause schwebt Daniel K?blb?ck als Superman herab, tr?gt an Seilen h?ngend seine aktuelle Single vor und macht dabei sogar mehrere ?berschl?ge r?ckw?rts. Leider trifft der Kinderg?rtner keinen einzigen Ton. Er singt so derma?en falsch - davon wird selbst in Brandenburg noch die Milch sauer.
So geht es immer weiter. Die Superstars bringen noch ein 70er-bis-80er-Medley. Juliette und Alex singen noch jeweils eine Gef?hlsballade, dazu sorgt die Gro?elterngeneration in den R?ngen mit den Phosphor-Winkelementen f?r eine krasse Lightshow. 30-j?hrige Alex-Fans zeigen sich gegenseitig stolz die G?sehaut am Unterarm.
Fazit: Mit den Superstars ist es wie mit dem Irakkrieg. Es sieht im Moment so aus, als ob ein menschenverachtendes Projekt Erfolg h?tte. Die Protagonisten haben es in die Charts geschafft, die Hysterie h?lt dank Bild, Viva und Bohlen weiter an.
Liegt das nur an der Macht des Fernsehens, der Pseudodemokratisierung der Charts, der Illusion der Fans, ihre Stars selbst gew?hlt zu haben? Ist es vielleicht doch eher ein ironischer Genuss, die Lust am Trash, an der sichtbaren Ekelhaftigkeit der musikindustriellen Machenschaften? Oder haben Heranwachsende das grausame Leistungs- und Auswahlprinzip so verinnerlicht und identifizieren sie sich deshalb so stark mit einer Show, in der immer wieder die Sekund?rtugenden Disziplin, Selbstverleugnung, Flei? gefordert werden? Man wei? es nicht.
Was wei? man schon nach so einer Show? H?chstens, dass Alex wirklich furchbar normal ist, sogar zu normal f?r eine zuk?nftige Psychose oder interessante Drogensucht. Bei Daniel dagegen kann man bald ein endg?ltiges Durchdrehen erwarten. Er sollte von seinen jetztigen Einnahmen schon mal sch?n was zur?cklegen f?r die vielen Therapiestunden, die noch auf ihn zukommen. " CHRISTIANE R?SINGER
Quelle: TAZ
|