Geschrieben von Rosie am 17.08.2003, 14:01:
Buhrufer
beim rumserven im netz, bin ich auf einen artikel eines politikers gesto?en, den er nach einem opernbesuch geschrieben hat. die interessantesten abschnitte habe ich mal rauskopiert.
ganz zu lesen unter:
http://www.uvek.admin.ch/gs_uvek/de/chef/pub/00198/
Nein, nicht die Harmoniesucht ist es, was mich so in
Rage bringt. Es ist der Wert, den ich der Zivilisiertheit einer Gesellschaft beimesse ? und den ich mit allem Nachdruck zu verteidigen gewillt bin. Ein Buh ist das Ausdrucksmittel eines Publikums ohne Dialogbereitschaft, stumpf und unartikuliert, einer zivilisierten Gesellschaft unw?rdig. Gleichg?ltig, in welcher Verkleidung ein Buh auftritt: ein Buh ist und bleibt ein Buh. Es gibt nicht bessere oder schlechtere Buhs. Jedes Buh ist eine verbale Steinigung und eine Gespr?chsverweigerung, ein endg?ltiges vernichtendes und verdammendes Njet. Buh ruft ein Publikum ohne jede Mitsprache, das nicht gesegnet ist mit den Machtinstrumenten eines Volkes in der direkten Demokratie, das nicht nur w?hlen, sondern auch abstimmen kann.
Das heisst nicht, dass ich Nachsicht haben m?sste mit dem Buhrufer in der Oper, weil er sich nicht wie der Kritiker differenziert in den Medien ?ussern darf, sondern ihm vermeintlich nur verbleibt, entweder den Daumen nach oben oder nach unten zu halten. Nein, keine Nachsicht. Denn der Buhrufer w?hlt seine Position der dumpfen Ohnmacht freiwillig. Ihm st?nden auch andere Wege offen. Er k?nnte sich in der Pause oder nach der Vorstellung mit anderen ?ber die Vorf?hrung unterhalten und dabei seine Meinung kundtun. Er k?nnte der Zeitung einen Leserbrief schreiben; er k?nnte das Gespr?ch mit dem K?nstler suchen. Er k?nnte sanfter oder gar nicht klatschen, er k?nnte sich in der Pause davonschleichen.
Es gibt Theaterst?cke oder Opern, die gefallen mir ganz und gar nicht, aber gebuht habe ich trotzdem noch nie. Mit einem Buh verletze ich Leute, die doch gewiss ihr Bestes gegeben haben. Verdient es eine S?ngerin ausgebuht zu werden, wenn ihr ein hoher Ton nicht ganz rein gelingt? Verdient es ein S?nger ausgebuht zu werden, weil er einen tiefen Ton nicht ganz erwischt? Dies allein straft ihn ja schon genug. Wie war es doch damals in der Schulzeit? Litten wir schon unter unvollkommen Leistungen, straften die Eltern noch zus?tzlich. M?ssen wir solch erlittenes Leid weitergeben? Verdient es ein Schauspieler ausgebuht zu werden, wo er doch durch den Regisseur gef?hrt wurde, vielleicht gegen seinen Willen? Verdient es ein Regisseur ausgebuht zu werden, der vielleicht durch die Ehefrau des Dirigenten in Kompromisse beim B?hnenbild gezwungen wurde?
von Moritz Leuenberger
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Lernen wir besser uns freuen, so verlernen wir am besten, anderen weh zu tun. (Nietzsche)
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