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Frankfurt, ihr seid spitze
Die "Superstars" beim Tournee-Auftakt in der Festhalle
09. Mai 2003 Die Festhalle ist 64 Meter breit und 109 Meter lang. Und sie ist voll. Brechend voll. Gut 10000 sollen es sein, die hier kreischen, die Arme recken und bunt leuchtende Kunststoffst?be schwenken. Sie wollen die Finalisten der Sendung "Deutschland sucht den Superstar" sehen. Wenige Meter vor der B?hne steht ein Gitter. Davor dr?ngen sich die ganz jungen M?dchen, die jedes Mal ganz laut kreischen, wenn der Vorhang sich ein wenig bewegt. Schon am Nachmittag hatten sie zu Hunderten vor der Festhalle gestanden, gesessen, gelagert - mit Schildern "I love Alex" oder "Daniel bleib so wie Du bist". Jetzt, kurz vor halb acht, ihre Idole sind noch gar nicht zu sehen, scheint die Stimmung sich dem Siedepunkt zu n?hern.
Kleinste Ver?nderungen lassen sie ekstatisch aufschreien. Als auf der Videoleinwand neben der B?hne irgendein belangloser Vorfilm beginnt, sind manche der Ohnmacht nahe. "Als Fan nimmst du vieles hin", erz?hlt ein M?dchen. "Bei den Kellys war mal ein Familienmitglied nicht dabei, und die haben gesagt, der ist eine Kaffeemaschine auf den Kopf gefallen - die Begr?ndung war o.k." Eine Oma ist mit ihrer achtj?hrigen Enkelin gekommen: "Die hat zwei Wochen nicht geschlafen. Aber ich finde das sch?n. Endlich mal was Positives. Nicht immer nur diese Kindesentf?hrungen", sagt die Oma. Die Enkelin, die angeblich zum Spielplatz immer ein Handy mitbekommt, outet sich als Fan des 17 Jahre alten Kindergarten-Azubis Daniel ("positive Energie"), von dem manche sagen, er sei bisexuell, und fast alle, er k?nne nicht singen.
Dann kommt Dieter Bohlen auf die B?hne, rotes T-Shirt und schwarzes Sakko - und mit einem Mal sind die Fronten klar. "Dieta, Dieta" schreit der Bohlen-Fanblock auf der linken Seite, und es klingt aus den kindlichen Kehlen fast wie "Papa, Papa". Konzerte sind wie Fu?ballspiele, wo man steht, ist h?llisch wichtig. Da ist eine Ecke nur mit "Alex"-Plakaten und kleinen Herzen, ein Block nennt sich "Erster offizieller Daniel-Fanclub", ein Plakat gr??t Juliette - von der die Oma der Achtj?hrigen gleich sagt, sie m?ge sie nicht, weil sie wegen ihrer Gesangsausbildung f?r so einen Nachwuchswettbewerb "einfach zu professionell" sei. Der Alex etwa, der sei "so unverbraucht". Einzelk?mpfer vertreten die bundesweit zweifellos zahlreiche Anh?ngerschaft der fr?her ausgeschiedenen Kandidatinnen Gracia und Vanessa. Wobei die bedauernswerten Fans von letzterer, die Bohlen im Fernsehen gern als "Igelschn?uzchen" bezeichnete, gleichsam vollkommen vergeblich gekommen sind: Zuerst wird gesagt, Vanessa sei ein bi?chen verschnupft und komme gleich, dann hei?t es, sie habe Fieber und k?nne gar nicht mehr auftreten. Tr?nen? Nein, dazu ist es zu sch?n, dabeizusein.
Ist es die schlechte Akustik der Festhalle, die Aufregung oder doch noch eine gewisse gesangliche Unsicherheit: Am Anfang klingt alles etwas schr?g, als die "Superstars" in der Reihenfolge ihres Fernseh-Ausscheidens einzeln auftreten. Die strikte Einhaltung dieser Star-Hierarchie l??t das Stimmungsbarometer zwangsl?ufig steigen: Nicht nur der Daniel-Fanblock tobt, als der Ehrenb?rger von Eggenfelden im Superman-Kost?m an Seilen ?ber die B?hne schwebt und "Superman" singt. Als er dann noch in der Luft einen Purzelbaum schl?gt, kann man erleben, da? "laut kreischen" durchaus zu toppen ist - durch "lauter kreischen".
"Frankfurt, ihr seid spitze": Jeder "Superstar" bedankt sich nach seinem Lied gleich dreimal beim Publikum, als ob er mangels B?hnenerfahrung noch von der Erkenntnis ausgeschlossen w?re, da? einmal eigentlich reichen w?rde. Weiter geht es mit St?cken aus den sechziger und siebziger Jahren und Spezialkompositionen von Dieter Bohlen. Auf der B?hne sind ?brigens alle Freunde, nicht mehr Konkurrenten wie im Fernsehen. Die Kleidung, die Frisur, die Art sich zu bewegen: Stereotypen - auch wenn jeder einzelne, wie sie immer wieder versichern, als Entdeckter das Gef?hl hat, nur sich selbst darzustellen. Trotzdem, irgendwie scheint das Ganze einen Nerv der Zeit zu treffen: Sonst w?rden jetzt nicht gar so viele schreien und kreischen. "Eine tolle Show", sagen zwei Mittvierzigerinnen, die zusammen gekommen sind. Viele Erwachsene wechseln zwischen "Ist-das-nicht-sch?n"- und "Na-bist-du-jetzt-zufrieden"-Gesichtsausdr?cken. Von der Decke regnet es Konfetti und Luftschlangen: eine Stimmungsmischung aus Karnevalsprunksitzung und Millenniumssilvesterfeier.
Die H?hepunkte sind programmiert. Als "Supersuperstar" Alexander im blauen Anzug "Take me tonight" singt, mit viel Schmalz in der Stimme, erreicht die Zahl der erkennbaren Feuerzeuge relatives Rekordniveau. Eine ?ltere Frau weint. Als Vize-Siegerin Juliette die Ballade "I still believe" intoniert, gibt es tosenden Beifall. Und als Bohlen seine schlagzeilentr?chtige Kinderschar f?r den Kollektivsong "We have a Dream" um sich schart, scheinen die Holzr?nge der denkmalgesch?tzten Festhalle durch das Schunkeln und Stampfen in die N?he der baupolizeilichen Belastungsgrenzen zu geraten. Gesamtdauer des Konzerts: zwei Stunden.
Jenseits der ganzen Inszenierung eine fast r?hrende Szene nach dem Ereignis: Auf dem Platz zwischen Festhalle, dem erleuchteten Maritim-Hotel und dem Messeturm fahren die drei schwarzen Tourbusse vorbei, fast alle Fenster zugeklebt. Nur durch eine Windschutzscheibe kann man Juliette erkennen, wie sie noch immer l?chelt und die Arme ausstreckt, als ob sie sich von den Fans nicht losrei?en k?nne - s?chtig geworden nach der Sympathie, die ihr an diesem Abend entgegenstr?mte. CHRISTIAN SIEDENBIEDEL
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Ein Mensch, den viele hassen, der mu? was sein. Goethe
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11.05.2003, 17:59
Am besten gef?llt mir diese Stelle:
